Foto: Carolin Weinkopf
von Laura-Kristine Krause
»Better Together«. Dass zivilgesellschaftliche Arbeit dann am meisten Wirkung entfalten kann, wenn Akteure miteinander kollaborieren, das würden wahrscheinlich die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen aus dem Stand heraus bejahen. Denn es sind gerade der Glaube an kollektive Handlungsmöglichkeiten und der Wunsch nach gemeinsamer Gestaltung, die viele Menschen dazu bringen, sich beruflich oder ehrenamtlich für die Gesellschaft einzusetzen.
Dass es aber mit dieser positiven Grundeinstellung für gesellschaftliche Wirkung nicht getan ist, erlebe ich in unserer Arbeit bei More in Common fast täglich. Wir haben uns dem Thema gesellschaftlicher Zusammenhalt verschrieben und arbeiten seit 2018 an der Mission einer im Kern gestärkten Gesellschaft, die widerstandsfähig und geeint auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren kann. Wir versuchen durch eigene Forschung zu verstehen, was Spaltung bedingt und wo Basis für Gemeinsames sein kann und Übersetzen die Erkenntnisse in Projekte und Tools für die Praxis. Wir lernen länderübergreifend von der Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen in Frankreich, Großbritannien und den USA und von unseren Partnern aus Gesellschaft, Politik, Medien und Wirtschaft in Deutschland.
Denn unser Thema liegt gewissermaßen »quer«: Vertrauen in Demokratie, Politik und Mitmenschen, Begegnung, gesellschaftliche Teilhabe und Sichtbarkeit, Desinformation, soziale Medien und Informationsverhalten, Klimaschutz, Gerechtigkeit, Migration, und und und – es gibt eine Vielzahl an Themen, die etwas mit gesellschaftlichem Zusammenhalt zu tun haben, für ihn nötig sind oder ihn erschweren können und zu all diesen Themen gibt es Akteure, die sie fokussiert bearbeiten. Durch unsere Arbeit mit ihnen lernen wir viel über Struktur, Professionalisierungsgrade und Herausforderungen verschiedener thematischer »Ökosysteme« und sehen, dass sich Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen mitunter sehr ähnliche Gedanken machen, z. B. darüber wie sie sich neue Zielgruppen erschließen können.
Austauschforen über das »Wie« zivilgesellschaftlicher Arbeit (also Wirkstrategien, Ansätze, Erfahrungen und Lessons Learned) sind aber deutlich rarer als solche über das »Was«, also den thematischen Fokus. Förderansätze, die auch jenseits »klassischer« Programmkategorien wie Demokratie, Bildung oder Klima schauen, sind also auch wichtig und könnten themenübergreifenden (und auch mal eher »technischen«) Austausch befördern. Strukturen, die also nicht nur Vernetzung von Geförderten unterstützen, sondern sie auch einfordern und durch gute Ressourcenausstattung ermöglichen, sind dabei besonders wichtig, damit Kollaboration nicht unter »ferner Liefen« stattfindet. Denn sie kostet Zeit, die in fast allen zivilgesellschaftlichen Organisationen ein sehr kostbares Gut ist.
Wenn als Folge von mehr Vernetzung Akteure besser voneinander wissen, wohin andere mit ähnlichen Zielen wollen und woran sie arbeiten, dann ist auch dem Ziel einer zivilgesellschaftlichen »Arbeitsteilung« gedient. Diese ist wichtig, denn keine große Herausforderung unserer Zeit kann von Einzelnen allein gelöst werden. Beispiel Klimaschutz: Neben Akteuren, die das Thema antreiben und politische Entscheidungen einfordern oder wissenschaftlich begleiten, braucht es auch solche, die dafür Sorge tragen, dass es nicht zu unnötiger Polarisierung führt und Menschen ihren ganz persönlichen Platz in dieser gesellschaftlichen Herausforderung finden. Eine stärkere Zielgruppenorientierung und ein Verständnis für Wirkketten können helfen dahin zukommen.
Akteure, die »aus dem Sektor für den Sektor« denken, querliegende Bedarfe für Evidenz, Strategien, Kommunikation oder Tools identifizieren und sie dann abdecken sind für diese Wirkziele also ebenso wichtig, wie thematisch fokussierte Organisationen. Auf ihre Förderung fokussiert sich der neue Programmbereich »Infrastruktur & Beziehung« der Schöpflin Stiftung, in dem auch More in Common jetzt beheimatet ist.
Wie das aussehen kann? Wir sehen unsere Aufgabe zum Beispiel darin, Forschungserkenntnisse so zu erheben und weiter zu verarbeiten, dass sie in der Praxis tatsächlich helfen und nicht zu abstrakt oder wissenschaftlich daherkommen. Fast 150 Organisationen arbeiten bereits mit unserem Toolkit und mit unserer jüngsten Studie Zusammenhalt und Begegnung. Wie und wo Zivilgesellschaft wirken kann haben wir eine Evidenzgrundlage zu Begegnung über gesellschaftliche Grenzen hinweg für die Praxis bereitgestellt. In Zukunft wollen wir unsere Möglichkeiten zur quantitativen und qualitativen Forschung noch stärker unseren Partnern zur Verfügung stellen, damit sie sich z. B. schon in der Projektentwicklung direkt Rückmeldung holen können, ob sie mit ihren Ideen breite Teile der Gesellschaft erreichen können. Denn ich sage immer gerne: Jede Shampoo-Verpackung wurde vor Marktreife mehr getestet als eine zivilgesellschaftliche Kampagne. Das wollen wir gerne ändern.
Laura-Kristine Krause ist Gründungsgeschäftsführerin von More in Common Deutschland. Die gemeinnützige Organisation setzt sich mittels Forschungsarbeit und deren Transfer in die Praxis für die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ein und ist seit 2020 Förderpartner der Schöpflin Stiftung. Vor ihrer Tätigkeit bei More in Common leitete sie beim Berliner Think Tank Das Progressive Zentrum das Programm »Zukunft der Demokratie« und baute das »Democracy Lab« für demokratische Innovationen auf. Sie hat mehrjährige Erfahrung in der Politikberatung und der Wahlkampfführung, publiziert u. a. über die Themen institutionelle Reform und digitale Demokratie und wurde zweimal als eine der »40 unter 40« in Deutschland ausgezeichnet. Seit 2021 ist sie im Beirat der Schöpflin Stiftung.
Dieser Artikel ist in unserem Newsletter Schöpflins Schaufenster 04/2021 erschienen. Keine Ausgabe mehr verpassen? Hier geht es zur Newsletter-Anmeldung.