Foto: Villa Schöpflin gGmbH
Das Suchtpräventionszentrum »Villa Schöpflin« wurde im Jahr 2002 von Hans Schöpflin und seinen Geschwistern Heidi Junghanss und Albert Schöpflin gegründet mit dem Ziel, Jugendliche und deren Familien vor den Leiden zu bewahren, die die Suchterkrankung eines jungen Menschen hervorrufen kann. Hintergrund war das persönliche Schicksal von Hans Schöpflin, dessen Sohn Axel an einer Überdosis gestorben ist. Heute ist die Villa Schöpflin sowohl regional als auch überregional tätig, um einer Suchtentstehung unter Kindern und Jugendlichen frühzeitig entgegen zu wirken. Nach anfänglicher Zugehörigkeit zum Baden-Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation (bwlv) ist die Villa Schöpflin seit 2009 als gemeinnützige GmbH organisiert. Im Jahr 2010 wurde sie Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband, Landesverband Baden-Württemberg.
Um einen Einblick in die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die riskante Verhaltensweisen im Umgang mit Substanzen oder Digitalen Medien und Glücksspiel aufweisen, zu geben, beantwortet Daniel Ott, stellvertretende Leitung der Villa Schöpflin, einige zentrale Fragen zu den Kernangeboten der Villa Schöpflin.
Herr Ott, wie und mit welchen Programmen arbeitet die Villa Schöpflin?
Regional ist die Villa Schöpflin als Trägerin der Suchthilfe für Präventionsangebote im Landkreis Lörrach zu den Themen Tabak, Alkohol, Cannabis, Glücksspiel und Digitale Medien zuständig. Ein Team aus 11 Mitarbeiter*innen setzt verschiedene, selbst entwickelte und durch externe, unabhängige Institute geprüfte Projekte und Programme zur Suchtprävention um. Kern der überregionalen Tätigkeiten ist die bundesweite Verbreitung dieser Programme inklusive der dazugehörigen Präventionsmaterialien. Hierdurch entstehen zahlreiche bundesweite Netzwerke an Fachkräften, die Angebote der Villa Schöpflin in ihren Regionen umsetzen und von Lörrach aus betreut werden.
Die Projekte und Programme der Villa Schöpflin lassen sich anhand der Zielgruppen differenzieren: Im Rahmen von universellen Präventionsmaßnahmen werden mit Schulklassen und Jugendgruppen auf interaktive Art und Weise Themen wie Alkohol, Cannabis und die Mediennutzung bearbeitet. In der selektiven Prävention werden gezielt Jugendliche angesprochen, die ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Suchterkrankung aufweisen. Im Bereich der indizierten Präventionsangebote wird mit einzelnen Jugendlichen, die durch riskante oder gesundheitsschädliche Verhaltensweisen auffallen, aber nicht abhängig sind, im Rahmen von Beratungseinheiten gearbeitet.
Wie kommen denn Jugendliche zu Ihnen in die Villa Schöpflin? Und welche Jugendlichen sind das?
Die meisten Kinder und Jugendlichen, die sich in einem Beratungsprozess befinden, erreichen uns über deren Erziehungsberechtigte. Diese wiederum melden sich bei uns, da sie negative Auswirkungen bei ihren Kindern (z. B. im Umgang mit digitalen Medien und Glücksspiel oder aufgrund von Tabak-, Alkohol- oder Cannabiskonsum) bemerken und sich deshalb sorgen. Andere Kinder und Jugendliche erreichen uns durch Überweisung der regionalen Kinderärzt*innen, Kinder- und Jugendtherapeut*innen, Schulsozialarbeiter*innen oder Einrichtungen wie der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Aus diesem Grund ist eine regionale Vernetzung sehr wichtig, um den Hilfesuchenden eine bestmögliche und rasche Versorgung zu ermöglichen.
In die Villa Schöpflin kommen Kinder und Jugendliche, die in der Regel nicht süchtig sind, sondern einen problematischen Konsum aufweisen. Es sind Jugendliche mit verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen.
Neben der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist die Arbeit mit Eltern und Bezugspersonen im Rahmen einer Einbindung in den Beratungsprozess oder bei Elternabenden an Schulen zentral. Unter anderem benötigen sie Tipps und Ratschläge oder werden dabei begleitet, Regeln zu reflektieren oder zu setzen.
Wie sieht die konkrete Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen aus?
Alle Präventionsfachkräfte der Villa Schöpflin sind Expert*innen der Gesprächsführung, insbesondere in der motivierenden Gesprächsführung. Dabei geht es darum, Widerstände bei Kindern und Jugendlichen, abzubauen, die vor allem dann zustande kommen, wenn der Erstkontakt eben nicht freiwillig stattfindet.
Kinder und Jugendliche erhalten in der Villa Schöpflin nicht, wie oft angenommen wird, Moralpredigten und Belehrungen, sondern es wird ihnen auf Augenhöhe begegnet. Ziel kann und darf nicht sein, sie zu einer Abstinenz zu zwingen oder sie zu überreden, ihr Verhalten zu ändern, da dies langfristig nichts verändern würde. Im Beratungsprozess, der unter Schweigepflicht stattfindet und bis zu sieben Termine beinhaltet, geht es vielmehr darum, dass sie sich eigene realistische Ziele setzen. Bei der Umsetzung dieser Ziele begleiten wir sie und motivieren auf Grundlage der ersten Erfolge. Dies führt dazu, dass negative Spiralen durchbrochen werden und eine nachhaltige Verhaltensänderung bzgl. des Umgangs mit Substanzen oder Medienkonsum und Glücksspiel stattfinden kann.
In diesen Prozess werden meist weitere betroffene Familienangehörige miteinbezogen, um zusätzliche familiäre Ressourcen zu aktivieren und dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen während des Veränderungsprozesses zielführend sind.
Welche Themen sind momentan dominant und wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf Ihre Arbeit aus?
Die meisten Anfragen beziehen sich auf die Bereiche »Cannabis« und »Digitale Medien«. Seit der Corona-Pandemie verzeichnen wir einen verstärkten Beratungsbedarf im Themenbereich der »Digitalen Medien«, da besonders Kinder und Jugendliche aufgrund der teils harten Auswirkungen der Pandemie ihre gewohnte Tagesstruktur verloren haben und sich oft in die digitale Welt zurückziehen. Bezüglich Cannabis kommt es nicht selten vor, dass Eltern, die vermehrt zu Hause sind, mitbekommen, ob und wie viel ihre Kinder konsumieren.
Des Weiteren bemerken wir eine deutlich erhöhte Nachfrage von Schulen, da gerade in dieser Zeit Prävention einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Hier befinden wir uns vor der großen Herausforderung, unsere innovativen und interaktiven Präventionsworkshops (»Max & Min@«, »Tom & Lisa« und »Cannabis – quo vadis?«) den Schulen digital über datenschutzkonforme Videodienste anzubieten. Insgesamt haben wir uns – beschleunigt durch die Situation mit der Corona-Pandemie – beim Thema Digitalisierung in den letzten Monaten Kompetenzen angeeignet, von denen wir auch langfristig profitieren werden, da sie unsere Präventionsarbeit flexibler macht und neue Zugänge schafft.
Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen zur Villa Schöpflin und den Suchtpräventionsprogrammen unter: villa-schoepflin.de
Dieser Beitrag ist in unserem Newsletter »Schöpflins Schaufenster« Ausgabe 05/2020 erschienen.
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