Foto: Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft
Gastbeitrag von Dr. Katharina Reuter, Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft
»Würdest du dich als Lobbyistin bezeichnen?« fragte mich unlängst Robert Habeck. Ich zögerte keinen Augenblick und sagte »Ja, absolut, aber wir machen Zukunfts-Lobbyismus.«
Wir bündeln dafür die Stimme der nachhaltigen Wirtschaft und bringen sie in die Politik. Dabei stoßen wir auf enorme Widerstände. Das haben wir u. a. gemeinsam mit der Schöpflin Stiftung in den Auseinandersetzungen um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zu spüren bekommen. Die klassischen Industrie- und Wirtschaftsverbände wollten mit aller Macht ein kritisches Hinterfragen verhindern. Sie waren dabei so massiv vernetzt mit politischen Entscheidungsstrukturen, dass es für uns ein regelrechter David-gegen-Goliath Kampf war. Am Ende waren wir erfolgreich, indem wir die Sorgen der Mittelständler glaubhaft platzieren und mangelnde Beteiligungsverfahren sichtbar machen konnten.
Aktuell beobachte ich einen großen Zulauf für das Thema Nachhaltigkeit – das einstige Nischen-Thema kommt im Mainstream an. Einerseits erfreulich und dringend notwendig, dass sich immer mehr Verbraucher*innen und Unternehmer*innen auf den Weg machen. Andererseits herausfordernd, wenn Grenzen zwischen echten Nachhaltigkeitsleistungen und Greenwashing verschwimmen.
Eins ist klar: An Nachhaltigkeit und Klimaschutz kommt künftig keiner mehr vorbei. Vom Zukunftsinstitut über das Weltwirtschaftsforum bis hin zum größten Investor der Welt sind sich darin alle einig. Weltweit sehen CEOs heute die größten Risiken in der Klimakrise und der Endlichkeit von Ressourcen. Mitarbeitende und Kund*innen fragen verstärkt nach dem Purpose, dem Zweck eines jeden Unternehmens. Die Triple Bottom Line ist dabei zentral: Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen sehen die drei Säulen Umwelt, Soziales und Wirtschaftlichkeit als gleichberechtigt an. Die reine Profitmaximierung steht nicht im Vordergrund. Für uns ist ein Unternehmen immer dann glaubwürdig, wenn es die Nachhaltigkeit im Kerngeschäft verankert – also in den Produktionsprozessen, beim Kernprodukt oder bei der Kerndienstleistung.
Mut für unabwendbare Veränderungen
Wir brauchen die Transformation dringend. Und zwar die Transformation der gesamten Wirtschaft. Wenn wir die Pariser Klimaziele und den Pfad zur Dekarbonisierung unserer Unternehmen noch einhalten wollen, ist eine radikale Klimaschutzpolitik nötig. Hier brauchen wir eine Politik, die den Mut hat, zwei Dinge zu benennen:
1. Eine unabwendbare Veränderung ist nötig.
2. Dieser Wandel wird auch weh tun.
Beim ersten Punkt sehe ich übrigens einen zentralen Unterschied zwischen Corona- und Klimakrise: Bei Corona waren/sind die Veränderungen nicht zwingend dauerhaft notwendig. Wenn wir uns hoffentlich mit dem Virus eines Tages – wie mit dem Grippevirus – arrangiert haben, sind Reisen und Veranstaltungen wieder möglich. Bei der Klimakrise handelt es sich um unabwendbare Veränderungen, die auf Dauer nötig sind, wollen wir diesen Planeten weiterhin bewohnen. Und diese Erkenntnis ist weitaus unbequemer.
Den oben eingeforderten Mut vermissen wir bei der jetzigen Bundesregierung schmerzlich. Dabei ist die Zeit der Freiwilligkeit beim Umbau unserer Wirtschaft endgültig vorbei. Wir brauchen zukunftsfähige Regeln für alle. Auch BDI, DIHK und Co. müssen das erkennen und dürfen Klimaschutz nicht länger nur als Belastungsthema darstellen.
Für eine wirkliche Zukunftsorientierung der Wirtschaftspolitik ist es wichtig, dass endlich ein Level Playing Field für Klimaschutz und nachhaltige Wirtschaft geschaffen wird. Denn wir haben derzeit keine fairen Märkte für Klimaschutz, keinen fairen Markt für Umweltschutz und Soziales, keine wahren Preise und daher krasse Wettbewerbsverzerrungen, unter denen am allermeisten unsere Zukunft leidet.
Gemeinsam mit unseren Mitgliedsunternehmen und unseren Bündnispartner*innen fordern wir daher – quasi im Namen unserer Zukunft – eine sofortige Anhebung des CO2-Preises auf 50 EUR ab 2022 (dann ambitionierter Anstiegspfad) und den massiven Ausbau Erneuerbarer Energie. Wir fordern darüber hinaus ein Circular Economy Action Package für Deutschland und die Förderung einer zukunftsfähigen Land- und Ernährungswirtschaft (30 % Ökologischer Landbau bis 2030) zur Flankierung des Green Deal.
Wenn Spinnen vereint weben, können sie einen Löwen fesseln
…so sagt ein äthiopisches Sprichwort. Um unsere Forderungen stärker zu machen, setzen wir auf Netzwerke und Zusammenarbeit. Sei es im Rahmen der Klima-Allianz Deutschland, sei es gemeinsam in unserer Wirtschaftsinitiative »Entrepreneurs For Future« oder mit ungewöhnlichen Verbündeten wie dem Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft. Gemeinsam mit diesen Partner*innen und den engagierten Nachhaltigkeitspionier*innen, grünen Startups und Sozialunternehmer*innen zeigen wir auf, wie #WERTschaften funktioniert. Zusammen schaffen wir eine starke Stimme.
Dr. Katharina Reuter ist seit 2014 Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft (ehem. UnternehmensGrün). Sie engagiert sich seit mehr als zwanzig Jahren für die nachhaltige Wirtschaft – zunächst in Lehre und Forschung, dann im Stiftungs- bzw. Verbandsbereich. Die Agrarökonomin war als Geschäftsführerin der Zukunftsstiftung Landwirtschaft und der Klima-Allianz Deutschland tätig und hat verschiedene Organisationen mit aufgebaut und im Vorstand/Aufsichtsrat begleitet.
Dieser Beitrag ist in unserem Newsletter »Schöpflins Schaufenster« Ausgabe 01/2021 erschienen.
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