Foto: Schöpflin Stiftung
»Gefährden wir mit unserem Einsatz für Demokratie unsere eigene Arbeit?« Für viele gemeinnützige Organisationen ist das in den vergangenen Jahren zu einer zentralen Frage geworden. Gerade Initiativen gegen rassistische, rechtsextreme und antidemokratische Tendenzen sehen sich häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, das Neutralitätsgebot zu verletzen. Dabei wird kaum ein Begriff so häufig missverstanden wie dieser.
Im Kern besagt das Neutralitätsgebot, dass Staatsorgane und Beamte in politischen Debatten neutral sein müssen. Auch für Organisation, die als gemeinnützig anerkannt sind oder Gelder von der öffentlichen Hand bekommen, gilt, dass sie parteipolitisch neutral handeln müssen. Was damit allerdings gemeint ist, wird von Finanzämtern und Rechnungshöfen, aber auch von politischen Parteien widersprüchlich interpretiert.
Hier braucht es endlich Rechtssicherheit. Ein von der Schöpflin Stiftung gemeinsam mit der Freudenberg Stiftung, der Amadeu Antonio Stiftung und der Cellex Stiftung finanziertes Gutachten schafft jetzt mehr Klarheit. Erstellt wurde es vom renommierten Staats- und Verwaltungsrechtler Friedhelm Hufen, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz a.D.
Dessen Fazit: Organisationen der Zivilgesellschaft dürfen sich demnach auch gegen Parteien wenden und vor deren Politik warnen, wenn sie staatliche Fördermittel erhalten haben. Das Gutachten stärkt damit bundesweit die Position gemeinnütziger Organisationen.
Drei zentrale Ergebnisse aus dem Rechtsgutachten sind:
Politische Bildung und Demokratiearbeit sind stets auf ethische Werte und Verfassungsziele gerichtet und deshalb nie »neutral«. Auch sind sie Ausdruck der streitbaren Demokratie und verpflichtende Staatsaufgabe, die auch und gerade durch private Organisationen wahrgenommen werden kann.
Die öffentliche Finanzierung privater Initiativen bedeutet nicht, dass deren Äußerungen zu solchen des Staates werden. Die privaten Träger sind weder Instrument noch »Sprachrohr« des Ministeriums und auch nicht in gleichem Maße an ein – wie auch immer definiertes – Neutralitätsgebot und die Chancengleichheit der Parteien gebunden.
Die Bildungsarbeit freier Träger darf Gefahren für die Menschenwürde, für die freiheitliche demokratische Grundordnung, für die Grundrechte und für Staatsziele wie den Schutz natürlicher Lebensgrundlagen und europäische Einigung auch und gerade dann abwehren, wenn diese Gefahren von Programmen politischer Parteien ausgehen.
Das Gutachten wurde im Kontext einer Entscheidung des sächsischen Landesrechnungshofs erstellt, hat jedoch bundesweit Relevanz.
Das Gutachten können Sie hier herunterladen.
Mehr News