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Foto: Mehr Demokratie e.V.


Über »Demokratie-Experimente«

17.09.20

Mit losbasierten Bürgerräten gegen Politikverdrossenheit

Im Mai 2018 geschah in der Republik Irland etwas, womit niemand gerechnet hatte: Bei einem Referendum stimmten 66,4 % der Wahlberechtigten für eine Verfassungsänderung, die eines der schärfsten Abtreibungsverbote Europas abschaffte. Selbst die größten Optimist*innen innerhalb der Pro-Choice-Bewegung hatten einen solchen Erfolg nicht erwartet. Die Meinungen darüber, warum eine über diese Frage Jahrzehnte lang tief gespaltene Bevölkerung zu einer derart deutlichen Entscheidung kommen konnte, gehen seither auseinander. Die einen sehen darin schlicht ein Zeichen gesellschaftlichen Fortschritts und Überwindung nicht mehr zeitgemäßer Zustände. Für andere ist diese Entwicklung direkte Folge eines deliberativen Beteiligungsprozesses, der in der Lage ist, auch bei höchst umstrittenen Fragen Konsens zu erwirken und gesellschaftliche Gräben zu schließen.

Fakt ist, dass dies bereits die zweite Volksabstimmung in Irland war, die in ein für das erzkatholische und konservative Land erstaunliches Ergebnis mündete: Im Mai 2015 hatten 62 % der Wahlbeteiligten für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Irland gestimmt. Beiden Referenden war jeweils ein losbasierter Bürgerrat vorausgegangen, bei denen Bürger*innen per Zufallsprinzip ausgewählt wurden, um gemeinsam Handlungsempfehlungen für politische Fragestellungen zu erarbeiten. Mit ihren Empfehlungen hatten die Bürgerräte nicht nur die Volksabstimmungen überhaupt erst auf den Weg gebracht, sondern auch ihre Ergebnisse jeweils vorweggenommen.

Die irische Citizens‘ Assembly gilt seither als Vorbild für vergleichbare Beteiligungsformate in ganz Europa und als fulminante Widerlegung der These von der »Unmündigkeit der Wähler«, wie sie etwa der amerikanische Politiktheoretiker Jason Brennan vertritt. Sie hat Geschichten hervorgebracht wie die unwahrscheinliche Freundschaft zwischen einem homophoben Briefträger und einem schwulen Aktivisten, die als Reportage der Süddeutschen Zeitung  mehrfach  ausgezeichnet wurde und auf besondere Weise verdeutlicht, was erreicht werden kann, wenn Menschen mit ganz unterschiedlichen Weltbildern zusammen an einem Tisch sitzen und einen Dialog auf Augenhöhe führen. Das irische Beteiligungsverfahren hat zudem gezeigt, dass Politikverdrossenheit und anti-demokratischen Tendenzen durch die Erfahrung der Selbstwirksamkeit entgegenwirkt werden kann und die Beteiligten sehr gemeinwohl- und zukunftsorientiert entscheiden.

Die Erfolgsgeschichte der Citizens‘ Assembly in Irland war auch Inspiration für den von der Schöpflin Stiftung und Mehr Demokratie e. V. im Jahr 2019 durchgeführten ersten bundesweiten Bürgerrat. Gemeinsam haben wir im Jahr 2017 den Entschluss gefasst, ein solches »Demokratie-Experiment« auch in Deutschland durchzuführen. Unser Ziel war dabei die Reformierung und Stärkung der bundesdeutschen Demokratie angesichts der zahlreichen Herausforderungen unserer Zeit. Dabei war uns bewusst, dass die Rahmenbedingungen in Irland in mehrerer Hinsicht nicht mit denen in Deutschland vergleichbar sind. In Irland kamen zahlreiche Faktoren zusammen, die nach Meinung von Expert*innen den Erfolg des Projekts begünstigten, nicht zuletzt eine Politik, die angesichts einer massiven Wirtschaftskrise und gesellschaftlicher Spannungen bereit war, sich auf Experimente einzulassen. Ein wesentlicher Unterschied war und ist, dass in Irland (wie z. B. auch in Belgien und Frankreich) die Bürgerräte durch die Regierungen beauftragt werden. Eine solche gesetzlich verankerte Anbindung fehlt bisher in Deutschland.

Mit dem »Bürgerrat Demokratie« wurde zwischen Juni und November 2019 erstmals ein losbasiertes deliberatives Beteiligungsverfahren auf Bundesebene in Deutschland durchgeführt. Rund 160 zufällig ausgewählte Menschen aus ganz Deutschland diskutierten an zwei Wochenenden über Repräsentativität und Lobbyismus sowie Chancen und Potenziale direkter Bürgerbeteiligung. Die Themen waren zuvor in sechs Regionalkonferenzen festgelegt worden. Der Prozess mündete in 22 Empfehlungen, die im so genannten »Bürgergutachten Demokratie« zusammengefasst sind. Sie befürworten ausnahmslos eine stärkere Einbeziehung der Bürger*innen in die Politik und die Institutionalisierung von Bürgerräten auf Bundesebene.

Das Gutachten wurde am 15. November 2019 bei einem Festakt in Berlin an die Fraktionen des Bundestags und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble übergeben, der das Modellprojekt in seiner Rede als »richtig und notwendig« bezeichnete. Insgesamt übertraf die Resonanz auf die Initiative unsere Erwartungen bei weitem. Das Interesse von Medien und Öffentlichkeit war immens und ganz überwiegend positiv. Nicht zuletzt konnte mit dem Bundestagspräsident ein bedeutender Befürworter für das Experiment gewonnen werden. Auch Vertreter*innen der Fraktionen äußerten sich wohlwollend gegenüber dem Projekt. Unserem Ziel einer gesetzlichen Verankerung von Bürgerräten in Deutschland sind wir damit ein Stück nähergekommen.

Im Juni 2020 ist der Ältestenrat des Bundestages einem Vorschlag des Bundestagspräsidenten nach einem weiteren Bürgerrat gefolgt, für den sich die Fraktionen auf das Thema »Deutschlands Rolle in der Welt« geeinigt haben. Anhand des neuen Bürgerrats soll nun gezielt erforscht werden, ob und in welcher konkreten Weise sich das Format »Bürgerrat« zur Unterstützung der parlamentarischen Arbeit in Deutschland eignet. Daraus ergibt sich eine historische Chance, das Instrument dauerhaft als Ergänzung der parlamentarischen Demokratie in Deutschland zu implementieren. Unser Förderpartner Mehr Demokratie ist für die Umsetzung auch dieses zweiten bundesweiten Bürgerrats zuständig. Die Schöpflin Stiftung wird den Bürgerrat durch eine Förderung unterstützen. Das Beteiligungsverfahren wird damit erneut aus der Zivilgesellschaft organisiert und finanziert. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble wird jedoch dieses Mal sogar die Schirmherrschaft für diesen zweiten Bürgerrat auf Bundesebene übernehmen. Die Ergebnisse sollen noch diese Legislaturperiode vorliegen.

Wir freuen uns über die Unterstützung aus Zivilgesellschaft, Medien und Politik, die uns zuversichtlich stimmt, dass wir am Ende die Etablierung eines solchen Beteiligungsverfahrens in Deutschland erreichen werden. Für »Zaudereien« der politischen Entscheidungsträger*innen ist jedenfalls angesichts der aktuellen Lage in Europa und der Welt keine Zeit. »Deutschland braucht mehr Mut zu Experimenten«, denn – wie der Politikwissenschaftler David Farrell, einer der Mitinitiatoren der irischen Citizens‘ Assembly, betont: Gerade wenn immer mehr Pessimisten das Ende der Demokratie prophezeien »it's worth remembering that democracies survive by experimenting.«

Mehr Informationen zum Bürgerrat unter  www.buergerrat.de

Dieser Beitrag ist in unserem Newsletter »Schöpflins Schaufenster« Ausgabe 04/2020 erschienen. Autorin: Larissa Wegner, Schöpflin Stiftung.

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