Die Schöpflin Stiftung fördert im Rahmen ihrer Programmbereiche 42 Organisationen in Deutschland und europaweit. Diese engagieren sich in vielen unterschiedlichen Feldern, um Teilhabe an Demokratie zu stärken sowie Möglichkeiten zu schaffen, Menschen zu einer kritischen Bewusstseinsbildung zu befähigen.
Doch wer sind die Menschen in der Stiftung, die sich zum Ziel gemacht haben, Organisationen zu finden, die mit ihrem Engagement und ihren innovativen Ideen unsere Gesellschaft fit für die Zukunft machen wollen? Anna Häßlin, Programmleitung für Flucht & Integration, und Dorothee Vogt, Programmleitung für Wirtschaft & Demokratie, erklären im Gespräch ihre Arbeit und geben Einblick in ihre Arbeitsweise sowie ihre ganz persönliche Motivation, sich für ihren Themenbereich auf die Suche nach Experiment-Expert*innen zu begeben.
Die Fördertätigkeiten der Stiftung sind sehr breit gefächert und der Einsatz für eine lebendige Demokratie bildet den Kern aller Programmbereiche. Wie würdet ihr eure jeweiligen Programmbereiche in drei Sätzen erklären?
Dorothee Vogt: Meine Arbeit im Programmbereich Wirtschaft & Demokratie basiert auf der Position, dass die Macht der Konzerne eine wesentliche Bedrohung für die Demokratie ist. Deswegen unterstützen wir Organisationen, die die Interessen von Bürger*innen im Geflecht von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft vertreten und sich mit ihrem Engagement zum Beispiel gegen intransparenten Lobbyismus einsetzen oder auch demokratiegefährdende Handelsabkommen bekämpfen.
Anna Häßlin: Der Ausgangspunkt für meinen Programmbereich Flucht & Integration ist: Migration ist Fakt. Wir leben heute in einer globalisierten Welt, aber Menschen haben sich schon immer und aus unterschiedlichen Gründen bewegt, nicht erst seit 2015. Wir unterstützen deshalb Organisationen, die mit innovativen Ideen versuchen das Thema Migration positiv zu besetzen und mit ihrer Arbeit dazu beitragen, Menschen sozial und beruflich zu integrieren. Heimisch werden bedeutet auch, wieder die Möglichkeit zu haben, Verantwortung für sich selbst und das eigene Handeln übernehmen zu können.
Was macht eure Rolle als Programmleiterinnen aus?
Anna Häßlin: Unsere Arbeit zeichnet sich vor allem durch eine sehr hohe Mobilität aus. Wir versuchen oft bei den einzelnen Förderpartner*innen vor Ort zu sein, um so Menschen und Organisationen kennenzulernen. Ich besuche viele Veranstaltungen, die von Personen organisiert sind, die tagtäglich mit dem Thema Flucht in Berührung kommen und würde mir wünschen, dort auf mehr Akteur*innen aus der Stiftungswelt zu treffen. Hier sieht und lernt man die Bedarfe.
Dorothee Vogt: Wir haben den Anspruch, gut vernetzt zu sein und zu wissen, welche strategischen Themen unsere Förderpartner*innen bewegen. Wir investieren viel Zeit in die einzelne Förderpartnerschaft. Aus diesem Grund haben wir auch keine riesigen Förderportfolios. Zentral ist unsere Rolle als Sparringspartnerin. In der Zusammenarbeit unterstützen wir die Organisationen bei ihrem Wachstum und ihrer Weiterentwicklung. Mit unserem Blick von außen können wir dabei helfen Schwachstellen zu identifizieren und auf Best Practices anderer Organisationen hinzuweisen.
Wie seid ihr mit dem jeweiligen Thema eures Programmbereichs in Berührung gekommen und was treibt euch bei eurer Arbeit an?
Anna Häßlin: Schon als Kind hat das Thema Flucht bei mir eine Rolle gespielt. Meine Mutter ist von Beruf Krankenschwester und hat sich schon früh in der Flüchtlingsarbeit engagiert. Die Begegnung mit Menschen aus verschiedenen Kulturen war für mich Normalität. Daher ist diese Erfahrung aus meiner Biographie nicht wegzudenken. Beruflich habe ich selbst mit jungen Geflüchteten gearbeitet und erleben dürfen, dass ein gutes Umfeld Menschen ermöglicht, hier anzukommen und ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Mich treibt die Frage an, was mein Beitrag, was unser aller Beitrag für gelungene Integration ist. Irgendwann habe ich in der Einzelfall-Begleitung von geflüchteten Menschen gemerkt, dass ich systemisch arbeiten möchte. Ich möchte meine Erkenntnisse und positiven Erfahrungen breiter kommunizieren und an Stellschrauben wirken, mit denen mehr Menschen erreicht werden können.
Dorothee Vogt: Ich hatte immer schon ein sehr ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Am Anfang meiner beruflichen Karriere habe ich mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen gearbeitet und viel darüber erfahren, wie schwierig es ist erfolgreich Fundraising für gemeinnützige Zwecke zu betreiben. Die Frage, wie man knappe Ressourcen so gut wie möglich einsetzen kann, hat mich dann über mehrere Jahre begleitet. Darüber bin ich dann zu einem Social Venture Capital Fonds gekommen, wo Geld – anders als bei Stiftungen – nicht in Form von Fördermitteln vergeben, sondern investiert wird. Auch dort spielt die enge Begleitung eine wichtige Rolle und hat mir gezeigt, dass man über diesen Weg Organisationen nachhaltig entwickeln kann.
Diese Rubrik widmet sich Experiment-Expert*innen aus den unterschiedlichsten Bereichen und Organisationen. Was machen Experiment-Expert*innen eurer Meinung nach aus?
Anna Häßlin: Was ich besonders bei meinen Förderpartner*innen sehe, ist dieser Glaube ans Gelingen! Ich finde es immer wieder beeindruckend, dass sich diese Menschen nicht von den vielen Hürden abschrecken lassen. Hürden sind Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Diese Haltung motiviert mich sehr und ich bin sehr froh darüber, das miterleben und sie dabei auf ihrem Weg unterstützen zu können.
Dorothee Vogt: Daran kann ich nur anknüpfen und ergänzen, dass unsere Förderpartner*innen sich nicht mit bestehenden Verhältnissen abfinden. Und sie gehen Probleme auch dann an, wenn noch nicht alle Informationen vorliegen.
Was könnt ihr von ihnen lernen?
Anna Häßlin: Positivität und auch die Fähigkeit Allianzen zu bilden. Gleichzeitig verstehe ich sie auch als ehrliche Sparringspartner*innen. Sie fungieren als eine Art Korrektiv für unsere Stiftungsarbeit und helfen uns, agil zu bleiben und auch Dinge zu wagen, die für Stiftungen vielleicht eher ungewöhnlich sind.
Dorothee Vogt: Da fällt uns unendlich viel ein, aber um es bei zwei Beispielen zu belassen: Sie lassen sich nicht beirren und gehen ihren Weg Schritt für Schritt. Und sie sind bereit das eigene Handeln immer wieder zu hinterfragen: Bin ich mit den Mitteln, die ich einsetze, noch auf dem richtigen Weg?
Zum Abschluss: Wie müsste der Satz »Wir müssen mehr …. wagen« für euch ergänzt werden?
Dorothee Vogt: Wir müssen mehr Diskurs jenseits der Echokammern wagen, damit wir in einer Zeit zunehmender Polarisierung die Gesellschaft in einem gemeinwohlorientierten Sinne voranbringen können.
Anna Häßlin: Wir müssen mehr echte Beteiligung wagen, weil viele Stimmen noch nicht gehört werden. Auch die leisen Stimmen sind wichtig.
Danke für das Gespräch.
Zum Team der Förderstiftung gehören:
Lukas Harlan ist bei der Schöpflin Stiftung Programmleiter für die Bereiche »Gemeinnütziger Journalismus« und »Schöpflin Biotop«. In den letzten 15 Jahren hat er als Sozialunternehmer, Kultur- und Bildungsmanager gearbeitet.
Daniela Metzger ist seit 2014 bei der Schöpflin Stiftung. Sie hat den Förderbereich der Stiftung mit aufgebaut, danach den Programmbereich »Flucht & Integration« geleitet und im Herbst 2018 das Programm »Perspektive (neu)Start« übernommen. Schon vor ihrer Arbeit bei der Stiftung hat sich Daniela als Beraterin intensiv mit gesellschaftsrelevanten Themen befasst und mit der Frage, wie man Wandel erfolgreich gestalten und begleiten kann.
Dr. Constanze Wehner verantwortet seit 2017 den Programmbereich »Schule & Entwicklung« in der Schöpflin Stiftung. Zuvor war sie bei einer Stiftung in Hamburg tätig und hier für ein Stipendienprogramm für Lehramtsstudierende verantwortlich. Die Entwicklung von Lehrkräften und Schulen hin zu einer schülerorientierten Lernkultur, die auf Persönlichkeitsentwicklung und individuelle Potentiale setzt, steht im Fokus ihrer Arbeit.
Dorothee Vogt leitet den Programmbereich »Wirtschaft & Demokratie« der Schöpflin Stiftung. Zuvor war sie unter anderem in der Geschäftsentwicklung für eine Kampagnenorganisation und im Investment Management für einen Social Venture Capital Fonds tätig. Dorothees beruflichen Weg begleiten seit vielen Jahren persönliche Erfahrungen im ehrenamtlichen Engagement und politischen Aktivismus, insbesondere beim Aufbau von Initiativen zur Stärkung der Demokratie.
Anna Häßlin leitet den Programmbereich »Flucht & Integration«. Vor ihrer Zeit bei der Schöpflin Stiftung war sie Geschäftsführerin einer NGO, die mit jungen Geflüchteten aufenthaltssichernd Lebensperspektiven entwickelt hat sowie eines gemeinnützigen Vereins, der Begegnungen zwischen jungen Menschen in Europa möglich macht. Anna engagiert sich seit ihrer Jugend ehrenamtlich: ob in der Kommunalpolitik, der internationalen Jugendarbeit, der asyl- und aufenthaltsrechtlichen Beratung oder in selbstverwalteten Organisationen.
Larissa Wegner ist seit 2018 Referentin im Förderbereich der Schöpflin Stiftung. Vor ihrer Arbeit bei der Stiftung war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Freiburg und hat in Neuerer und Neuester Geschichte promoviert. Larissas Arbeit leitet der Wunsch, in einer vielfältigen und dialogfähigen Gesellschaft zu leben, in der das Bewusstsein vorherrscht, dass es meist keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen gibt.
Janne Callsen ist seit 2019 Grants Managerin bei der Schöpflin Stiftung. Zuvor war sie als Produktionsleitung an einem Theater tätig und verantwortete dort den Fundraising-Bereich. Mit ihrer Arbeit möchte sie einen Beitrag zu einer offenen Gesellschaft leisten und Querdenken ermöglichen.
Dieser Beitrag ist in unserem Newsletter »Schöpflins Schaufenster« Ausgabe 01/2020 erschienen.
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