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Wehrhafte Demokratie: »Es geht uns alle an«

In letzter Zeit ist sehr viel von »wehrhafter« Demokratie die Rede. Aber was ist damit eigentlich gemeint? Zunächst einmal verweist dieser Begriff ganz grundsätzlich darauf – so erklärt es das »Junge Politik-Lexikon« der Bundeszentrale für politische Bildung – »dass sich der demokratische Staat gegen seine Feinde wehren darf und kann.« Hierdurch soll es unmöglich werden, dass Demokratie mit demokratischen Mitteln wieder abgeschafft werden kann. Doch wie genau kann eine Demokratie »wehrhaft« sein?

Eine Forderung, die gerade immer wieder erhoben wird, ist ein Verbot der AfD oder einzelnen Parteifunktionären die Grundrechte zu entziehen. Diese Maßnahmen sind zu Recht umstritten, denn zum einen ist Meinungsfreiheit ein hohes Gut in einer Demokratie und zum anderen besteht die Gefahr, dass ein Verbot das Opfer-Narrativ bestärkt, das rechte Populisten von Donald Trump, über Victor Orbán bis Björn Höcke immer dann nähren, wenn sie politisch in die Enge getrieben werden. Auf dieses Dilemma hat auch CORRECTIV schon kurz nach Beginn der Demonstrationen verwiesen, die ihre Recherche »Geheimplan gegen Deutschland« ausgelöst hat.

Gleichzeitig aber dürfen wir nicht zu optimistisch auf die Schutzmechanismen unseres Rechtsstaates vertrauen: Verfassungsrechtler*innen warnen davor, dass es Demokratiefeinden zu leicht gemacht wird, staatliche Institutionen zu unterwandern und so die Demokratie von innen zu schwächen. Unter anderem Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (auch schon einmal unser Gast im Werkraum Schöpflin) erklärt, was hiergegen aus verfassungsrechtlicher Sicht getan werden kann und getan werden sollte.

Der Staatsrechtler Maximilian Steinbeis wiederum unterstreicht, der Schutz der Demokratie »geht uns alle an, nicht bloß Regierung oder die Gerichte oder den Sicherheitsapparat.« Das Junge Politik-Lexikon drückt dies so aus: Wir alle können einen Beitrag leisten – die Demokratie braucht »wehrhafte Bürgerinnen und Bürger« – also eine wehrhafte Zivilgesellschaft, die ihre Werte verteidigt und schützt.

Genau aus diesem Grund unterstützen wir seit vielen Jahren gemeinwohlorientierte Recherchezentren wie CORRECTIV oder Netzwerk Recherche. Denn unabhängiger und aufklärender Journalismus sowie Vielfalt und Qualität der Informationsmedien sind eine Grundvoraussetzung für eine offene Gesellschaft und eine lebendige Demokratie. Aus diesem Grund unterstützen wir auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie unsere langjährigen Förderpartner Lobby Control oder Finanzwende, die den Mächtigen auf die Finger schauen und Missstände aufdecken.

Dem Schutz demokratischer Werte dient auch die Arbeit unserer Förderpartnerin HateAid, die Menschen hilft, die ins Visier von Hass und Hetze geraten sind. Und wir fördern Demokratie-Experimente, die helfen, die demokratischen »Spielregeln« fest in der Gesellschaft zu verankern. Darum zählen zu unseren Förderpartnern Organisationen wie der Verein Mehr Demokratie, der Beteiligungsformate entwickelt, um Politikverdrossenheit entgegenzuwirken oder More in Common, die mit ihren Studien aufzeigen, wie wir gesellschaftliche Spaltung überwinden können.

Wir glauben fest daran, dass Dialog mit politisch Andersdenkenden wichtig ist und wir durch Ausgrenzung nicht weiterkommen. Allerdings ist es auch wichtig, klare Grenzen aufzuzeigen, wo demokratische Werte bedroht sind. Wie man selbst als Kind ebenso schlagfertig wie klug und freundlich vermeintliche inhaltliche Anliegen als reine Ausgrenzungsrethorik entlarven kann, zeigte vor der Bundestagswahl 2021 KiKa-Reporter Alexander in einem Interview mit Tino Chrupalla, als diesem partout kein deutsches Gedicht einfallen wollte … Dialog mit Menschen, die Hass und Hetze verbreiten, kann jedoch oft fruchtlos sein, diese Erfahrung müssen viele Engagierte machen. Daher ist es so wichtig, auf die Straße zu gehen und ein Zeichen zu setzen.

Wir alle sollten das aktuelle Momentum nutzen und, wie es Jeannette Gusko, Geschäftsführerin von CORRECTIV, ausdrückt, Demokratie als unser liebstes »Hobby« entdecken – dem wir uns auch in unserer Freizeit widmen, das wir pflegen und einüben und das wir nicht als lästige Pflicht betrachten, sondern als Geschenk. Ein Geschenk, das nicht einmal der Hälfte der Menschheit zur Verfügung steht, obwohl (oder weil) es uns, gut eingeübt und richtig angewandt, ermöglicht, Freiheit und Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Menschenwürde sowie Mitbestimmung und Solidarität zu leben und damit das Potenzial zur besten Staatsform hat, die sich Menschen jemals ausgedacht haben.


Dieser Beitrag ist in unserem Newsletter vom Februar 2024 erschienen. Keine Ausgabe mehr verpassen? Hier geht es zur Newsletter-Anmeldung.


Text: Larissa Wegner, Schöpflin Stiftung

 

 

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