Wie können Orte des Gemeinsamen in Zukunft aussehen und funktionieren? Wie kann ein Bauprojekt einen gesellschaftlichen und sozialen Mehrwert erbringen? Für die Entwicklung eines neuen Quartiers in Lörrach gehen wir neue Wege in der Stadtplanung.
Was macht einen Ort lebenswert? Wo liegen übersehene, ungenutzte Potenziale des Zusammenlebens? Niemand kann bessere Antworten auf diese Fragen geben als Menschen, die die Nachbarschaft eines Stadtplanungsobjekts bilden. Doch dieses lokale Wissen spielt in den üblichen Bauprojekten keine Rolle.
Die Schöpflin Stiftung möchte zeigen, dass Planung auch anders gehen kann. Für die Bebauung einer 15.000 Quadratmeter großen Brachfläche gegenüber des Stiftungssitzes in Lörrach-Brombach haben wir nach alternativen Wegen in der Stadtentwicklung gesucht. Für die Region, aber mit Strahlkraft auch über diese hinaus.
In einem kreativ-partizipativen Planungsprozess wurden die Nachbar*innen des zukünftigen Schöpflin Quartiers, Stiftungsmitarbeiter*innen und alle Interessierten nach ihren Ideen und Wünschen für dieses Gelände befragt. Die Essenz der Ergebnisse war der Wunsch nach einem Ort der Gemeinschaft, der den Schwerpunkt auf das Miteinander legt.
Bis zur Fertigstellung des Quartiers laden wir dazu ein, diesen Ort gemeinsam zu nutzen: Mit Projekten, Filmabenden, Spielangeboten für Kinder und Gemeinschaftsgarten ist das Gelände an der Franz-Ehret-Straße schon jetzt ein Ort der Begegnung und des Miteinanders – ein Mitmachraum für alle!
Das FABRIC-Areal in Brombach | Foto: Lucia Hofmaier
Das Wort »FABRIC« bedeutet im Englischen so viel wie »Struktur«, »Textil« oder »Gewebe« - zugleich aber auch »verweben«, »bauen« und »konstruieren«. Im Jahr 2018 haben wir diesen Begriff gewählt, um einen Prozess zu beschreiben, der den Fokus darauf setzt, Menschen und ihre Ideen miteinander zu verweben, um aus einem Brachland in Lörrach-Brombach ein neues Stadtquartier zu entwickeln.
»FABRIC« soll somit die Stärkung des sozialen Gewebes symbolisieren, das hier gemeinsam etwas Neues schafft. Gleichzeitig ist der Begriff auch eine Referenz an das Erbe der Textilindustrie in der Region, die auch die Familie Schöpflin entscheidend mitgeprägt hat.
Innerhalb des Planungsprozesses steht »FABRIC« zum einen für die abgeschlossene »Wunschproduktion«, bei der Lörracher*innen ihre Wünsche und Ideen für das neue Quartier einreichen konnten. Zum anderen steht es aber auch für die Zwischennutzung des Geländes, die sowohl den Vernetzungs- als auch den Partizipationsgedanken weiterträgt und die Brombacher*innen zum Mitmachen einlädt.
FABRIC Wunschproduktion | Foto: Lucia Hofmaier
Das FABRIC-Team startete im April 2018 in Lörrach mit der so genannten »Wunschproduktion« einen partizipativ-kreativen Planungsprozess, bei dem Nachbar*innen, Lörracher*innen, Stiftungsmitarbeiter*innen und Gäste aufgerufen waren, ihre Wünsche und Ideen für das Quartier einzubringen. In einem eigens dafür errichteten »Plankiosk« standen den Menschen dafür zahlreiche kreative und auch überraschende Hilfsmittel zur Verfügung. Sie konnten zeichnen, malen, kneten, bauen, die Zukunft des Geländes als Soundtrack konzipieren oder einfach nur (er-)träumen.
Nach sechs Monaten »Wunschproduktion« hatte das FABRIC-Team über 1.600 Ideen und Vorschläge gesammelt. Dabei zeigte sich, dass das Thema Wohnen für die Menschen in Lörrach und Brombach eine große Rolle spielt. Der Wunsch nach bezahlbarem Wohnraum wurde klar geäußert, aber auch alternative und gemeinschaftliche Formen des Wohnens spiegelten sich in den Wünschen wider.
Besonders bemerkenwert war, welche weiteren Bedürfnisse sich noch in den Ergebnissen zeigten: Es ging um Orte der Begegnung und des Selbermachens, um neue Formen der Gemeinschaft und des Engagements, Räume ohne Konsumzwang und um das Thema Essen, um Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten sowie Aufenthaltsqualität im Außenraum.
Die Ergebnisse der Wunschproduktion zeigen die Kraft eines Ansatzes, der auf »bottom-up« statt auf »top-down« setzt und auf diese Weise nicht nur die besten Ideen und kreativsten Lösungen hervorbringt, sondern in Verbindung mit einem kollaborativen Prozess das Gemeinschaftliche und den Gemeinsinn in den Mittelpunkt rückt. So wird aus dem »Wissen der Vielen« der »Nutzen der Vielen«.
Frischluftkino | Foto: Lucia Hofmaier
Bis erste Gebäude auf dem Areal zwischen Franz-Ehret-Straße und Schopfheimer Straße in Brombach gebaut sind, wird noch etwas Zeit vergehen. Um die Wartezeit zu verkürzen und Lust auf das zu machen, was dort in Zukunft entsteht, laden wir alle Menschen ein, das Gelände jetzt schon zu nutzen und mit uns gemeinsam Ideen für die Nachbarschaft umzusetzen.
In den letzten Jahren sind aus den Wünschen der Bevölkerung verschiedene kostenfrei nutzbare Spielmöglichkeiten auf dem Gelände entstanden: die beliebte Bobbycar-Rennstrecke, eine Tischtennisplatte und eine Boule-Bahn sowie viele weitere Bewegungsmöglichkeiten für Jung und Alt. Für strahlende Kinderaugen sorgt seit dem Sommer 2021 die sogenannte Kinderbaustelle: Ausgerüstet mit Bauhelm und Schubkarre können Kinder selbst zu Baumeister*innen werden.
Mit dem Plankiosk und dem Open-Air-Atelier stehen auf dem Gelände an der Franz-Ehret-Straße zwei Räume zu Verfügung, die ganz unkompliziert genutzt werden können. Der Plankiosk mit überdachter Terrasse kann für das nächste Training des Schach-Clubs, eine Projektbesprechung oder den Senior*innen-Kaffee-Klatsch angefragt werden.
Außerdem steht mit Garten-FABRIC ein Gemeinschaftsgarten für alle zur Verfügung und lädt zum gemeinsamen Gärtnern, Experimentieren und Ernten ein.
Anfragen für die Nutzung des Plankiosks oder zum Mitgärtnern können per E-Mail an fabric@ gestellt werden. schoepflin-stiftung.de
Illustration: Lucia Hofmaier
Wir freuen uns über alle, die Mitmachen und Mitgestalten möchten! Daher stellen wir für das Jahr 2023 ein Budget von ingesamt 6.000 Euro zur Verfügung, das für die Umsetzungon lokaler Ideen und Projekte genutzt werden kann. Pro Projekt kann eine einmalige Förderung in Höhe von maximal 500 Euro bewilligt werden.
Wir suchen Menschen, die mit uns gemeinsam ihre Ideen für Brombach in die Umsetzung bringen: Ob Hochbeet-Bau und gemeinsames Gärtnern, regelmäßiges Pizzaofen-Anheizen oder ganz etwas anderes – wir freuen uns auf Mitstreiter*innen und Unterstützer*innen!
Unter fabric@ nehmen wir Projektideen entgegen - oder auch persönlich am Plankiosk auf dem FABRIC-Gelände in der Franz-Ehret-Straße. schoepflin-stiftung.de
Weitere Informationen zum »FABRIC Mitmach-Budget« gibt es hier zum Download.
Ein erstes Planungstreffen | Foto: Alena Halmes
Mit den Wünschen aus der »Wunschproduktion« ausgestattet, ist die Schöpflin Stiftung in ein kooperatives Planungsverfahren gestartet, in dem auch weiterhin das »Wissen der Vielen« einen großen Mehrwert liefert: Die Wünsche wurden zu einem Programm für das Gelände verdichtet, das als Grundlage für die weitere Planung diente. Vorgesehen ist nun eine Mischung aus ganz verschiedenen Nutzungen, die alle den Schwerpunkt auf das Miteinander und die Begegnung legen.
Es sind öffentliche Workshop- und Werkstatträume geplant, genauso wie Wohnungen für unterschiedliche Formen des Zusammenlebens. Auch dem Wunsch nach gemeinsamem und gutem Essen in Brombach soll mit einem Ort Rechnung getragen werden, in dem nicht der Konsumzwang sondern die Begegnung im Fokus steht. Alle Gebäude stehen in einem Park, der öffentlich zugängliche Freiflächen mit Bewegungs- und Spielmöglichkeiten bietet, die zur Nutzung einladen. Und schließlich wird auch der Hauptsitz der Schöpflin Stiftung auf dem Areal eine Heimat finden.
Planungsverfahren | Foto: Alena Halmes, denkstatt
Auch im städtebaulichen Verfahren wählte die Schöpflin Stiftung einen eher ungewöhnlichen Weg: Statt eines klassischen Wettbewerbs wurde auch hier auf ein gemeinschaftliches Planungsverfahren gesetzt. Ziel war es, im gemeinsamen Dialog mit Expert*innen eine passende städtebauliche Lösung zu erarbeiten und die verschiedenen Nutzungen sinnvoll über das Gelände zu verteilen. Ein Team aus vier internationalen Architekturbüros – BeL Sozietät für Architektur aus Köln, ifau Institut für angewandte Urbanistik aus Berlin, Clauss Merz aus Basel und NL Architects aus Amsterdam – hat zusammen mit Landschaftsarchitekt*innen, Mobilitätsexpert*innen sowie Energie- und Klimaexpert*innen über sechs Monate den Städtebau für das Areal ausgearbeitet.
Begleitet wurde das Verfahren vom Basler Projektentwicklungsbüro denkstatt sàrl. Ebenfalls aktiv beteiligt war ein Verfahrensbeirat unter Vorsitz von Prof. Dr. Christiane Thalgott, ehemalige Stadtbaurätin aus München, dem auch Markus Müller, Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, Vertreter*innen der Schöpflin Stiftung sowie Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdic und die Brombacher Ortsvorsteherin Silke Herzog angehörten.
Ausblick FABRIC-Plankiosk | Foto: Lucia Hofmaier
Als zentrales Thema wird das Wohnen im zukünftigen Schöpflin Quartier eine wichtige Rolle spielen. Gleichzeitig wird durch die vielen öffentlichen Nutzungsmöglichkeiten ein Mehrwert für die Bewohner*innen des Quartiers, aber auch für die Bewohner*innen von Brombach und Hauingen entstehen. Konkret werden Wohnungen für etwa 80 bis 100 Menschen in mehreren Gebäuden geschaffen. Dabei werden Wünsche nach bezahlbarem Wohnraum ebenso berücksichtigt wie Konzepte von generationenübergreifendem, familienfreundlichem und gemeinschaftlichem Wohnen.
Ein Grundprinzip dabei ist die Minimierung der Individualflächen zugunsten von Gemeinschaftsflächen, die von allen genutzt werden können. Konkret heißt das, dass es Co-Working-Räume und Arbeitsateliers geben soll, genauso wie gemeinschaftlich nutzbare Workshopräume, Gästezimmer, zugängliche Dachflächen sowie Außenanlagen und Gartenflächen als Teil der gemeinsam genutzten Quartiersangebote. Ergänzt wird das Angebot durch eine gemeinschaftliche Infrastruktur, darunter Mobilitätsangebote, die den Verzicht auf ein eigenes Auto erleichtern sollen, sowie weitere Sharing-Angebote, etwa für Werkzeug oder andere Alltagsgegenstände.
Auf diese Weise soll aus dem gemeinschaftlich geplanten Quartier ein Ort der Begegnung und des Miteinanders werden - und sich damit die Vision eines Stücks »Stadt der Zukunft« erfüllen, wie sie sich in der Mehrzahl der 1.600 Wünsche aus der Nachbarschaft widerspiegelt.
Foto: Larissa Wegner | Illustration: Lucia Hofmaier
Mit den Ergebnissen des städtebaulichen Verfahrens wird jetzt der bestehende Bebauungsplan in Abstimmung mit der Stadt Lörrach und den städtischen Gremien überarbeitet. Dabei ist noch einmal die Geduld aller Beteiligten gefordert, denn bis zur Verabschiedung des Bebauungsplans, der die Nutzungen festlegt und Voraussetzung für die Baugenehmigungen ist, werden gut zwei Jahre veranschlagt.
Parallel geht es im nächsten Schritt um die Feinplanung: Wie sieht das Betreiberkonzept für das Gelände aus? Wer sind passende Mieter*innen für die Gewerbeflächen? Mit diesen und weiteren Fragen wird sich die Schöpflin Stiftung in den nächsten Monaten beschäftigen.
Mit der Fertigstellung der ersten Gebäude ist frühestens Anfang 2026 zu rechnen. Insgesamt wird das Gelände in mehreren Etappen geplant und bebaut werden.
Hier gibt es den aktuellen Zeitplan für das Gesamtprojekt zum Download.
Die Schöpflin Stiftung wünscht ein gesundes, glückliches und friedliches 2023.
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Mehr lesen...Dr. Constanze Wehner arbeitet seit 2017 bei der Schöpflin Stiftung. Zunächst leitete sie den Programmbereich Schule & Entwicklung, im Jahr 2020 übernahm sie die Projektleitung für die Gründung der Schöpflin Schule. Ab 2021 verantwortete sie für die Stiftung das Projekt FABRIC, ein innovatives Quartiersentwicklungsprojekt zur Schaffung eines neuen Stücks Stadt in Lörrach-Brombach. Vor ihrer Tätigkeit bei der Schöpflin Stiftung war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Claussen-Simon-Stiftung in Hamburg und promovierte an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg. Seit Januar 2023 ist Constanze Mitglied des Vorstands der Schöpflin Stiftung.