Von einem kleinen Gemischtwarenladen zu einem bundesweit bekannten Versandhandel: Die Familie Schöpflin hat im 20. Jahrhundert deutsche Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Die dritte Generation ist eigene, ganz unterschiedliche Wege gegangen. 2001 gründeten Heidi Junghanss, Hans und Albert Schöpflin gemeinsam die Schöpflin Stiftung. Heute treibt Hans Schöpflin die Entwicklung weiter voran. Der Großteil der jährlichen Stiftungsmittel von rd. 12 Mio. Euro, die für die Zweckerfüllung zur Verfügung stehen, stammt aus der unternehmerischen Tätigkeit von Hans Schöpflin (geb. 1941), die er seit Mitte der 1970er Jahre in den USA aufnahm. (Mehr Informationen zur Mittelherkunft und Hans Schöpflins »Family Office« finden Sie hier.)
Die Geschichte der Familie Schöpflin beginnt in Haagen – seit 1974 ein Ortsteil von Lörrach: Hier eröffneten Wilhelm und Wilhelmine Schöpflin im Jahr 1907 einen Gemischtwarenladen. 1924 wagten sie sich an einen Textilgroßhandel, ab 1930 wurden sie zu Pionieren des Versandhandels: Zunächst auf Handwagen, später auf Pferdewagen brachten ihre Angestellten die Pakete zur Post. Rund 900 Menschen arbeiteten vor dem Zweiten Weltkrieg bei Schöpflin – auch die Söhne Hans und Rudolf hatten Aufgaben übernommen. Nach Weltkrieg und Besatzungszeit bauten die Schöpflins ihr Unternehmen weiter aus – in der Zeit des Wirtschaftswunders waren die Schöpflin-Kataloge als »Standardwerke« in vielen bundesdeutschen Haushalten zu finden. In den südlichen Bundesländern war Schöpflin zudem mit Einkaufszentren präsent. Wirtschaftlich gab es in den 60er-Jahren jedoch erste Probleme: 1964 übernahm die Familie Gustav Schickedanz und damit das Versandhaus Quelle 74,9 Prozent der Anteile; 1967 auch den Rest. 1999 schloss Quelle den Standort in Lörrach und gab den Markennamen Schöpflin auf – das Großversandhaus Schöpflin war Geschichte.
Um Aufschluss über die Aktivitäten des Familienunternehmens insbesondere während des Zweiten Weltkriegs zu erhalten, haben die Geschwister Hans Schöpflin, Albert Schöpflin und Heidi Junghanss in Abstimmung mit dem Beirat der Schöpflin Stiftung im Mai 2023 beschlossen, eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung der Firmengeschichte mit besonderem Fokus auf die Zeit der NS-Herrschaft in Auftrag zu geben. Die Studie wird von der in Frankfurt a. M. ansässigen Gesellschaft für Unternehmensgeschichte erarbeitet. Erste Ergebnisse liegen voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2024 vor. Der fertige Bericht wird im Anschluss vollumfänglich veröffentlicht.
Die dritte Generation – die Kinder von Hans Schöpflin – ist ihre eigenen Wege gegangen und nie in die Firma Schöpflin eingetreten. Während Heidi Junghanss heiratete und in der Region blieb, zog es die Brüder Hans und Albert hinaus in die Welt. Hans Schöpflin wurde Mitte der 1970er-Jahre in den USA erfolgreicher Manager und Unternehmer, zunächst an der Seite von Sol Price. Dieser verband wirtschaftlichen Erfolg stets mit sozialer Verantwortung – eine prägende Erfahrung für Hans Schöpflin. Seit 1982 beteiligt Hans Schöpflin sich erfolgreich mit Wagniskapital an jungen Unternehmen, deren Ideen ihm gefallen – ein Konzept, das er später auf die Schöpflin Stiftung übertrug.
Der Weg Hans Schöpflins vom Unternehmer zum Philanthropen hatte seinen tieferen Ursprung jedoch in einem persönlichen Schicksalsschlag. Im Jahr 1995 starb sein Sohn Axel an einer Überdosis Drogen. Hans Schöpflin beschloss, einen Teil seines Vermögens in philanthropisches Engagement zu überführen, dem Motto seines Mentors Sol Price folgend: »It is better to give with a warm hand than with a cold hand«. Dieser Entschluss mündete 1998 in die Gründung der Panta Rhea Foundation in den USA und 2001 der Schöpflin Stiftung in Lörrach-Brombach.
Albert Schöpflin wechselte Anfang der 1970er-Jahre zunächst ebenfalls in die USA: Hier und später in Hamburg war er als Fotograf und Filmer für Werbung und Journalismus tätig. Auch er startete nach fast 25 erfolgreichen Berufsjahren noch einmal neu: Unter dem Namen Scopin ist er heute als Künstler aktiv.
Im Jahr 2001 brachten die Geschwister Schöpflin das 1896 erbaute Wohnhaus ihrer Eltern, den ehemaligen Lindenhof in Lörrach-Brombach, in die Schöpflin Stiftung ein. In der Villa Schöpflin wurde 2002 zunächst ein Zentrum für Suchtprävention eröffnet. 2011 kam auf dem Stiftungsgelände in Brombach der Werkraum Schöpflin hinzu. Im Herbst 2021 folgte die Schöpflin Schule, auf einem von der Stiftung neu erworbenen Nachbargrundstück. Auf dem FABRIC-Areal gegenüber der Villa Schöpflin erprobt die Schöpflin Stiftung eine neue Art von Stadtplanungsprozess.
Alle drei Geschwister haben heute ihren Lebensmittelpunkt in der Region. Heidi Junghanss und Albert Schöpflin engagieren sich als Ehrenmitglieder im Beirat, Hans Schöpflin als Vorstandsvorsitzender in der Stiftung. Für künftige Generationen wird der Name Schöpflin weniger für ein Versandhaus stehen als für die Stärkung von Kindern und Jugendlichen, gesellschaftspolitische Denkanstöße, andere Formen des Wirtschaftens und Experimente für eine bessere Zukunft.