Ehemalige Fabrikgebäude des Versandhauses Schöpflin
zVg

Geschichte des Versandhauses Schöpflin während der NS-Diktatur veröffentlicht

Die Familie Schöpflin hat gemeinsam mit dem Beirat der Schöpflin Stiftung im Herbst 2023 eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben mit dem Ziel, die Geschichte des Versandhauses Schöpflin und der Unternehmerfamilie in der Zeit der NS-Diktatur zu untersuchen. Jetzt hat die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V. (GUG) in Frankfurt ihre Studie vorgelegt.

Im Zentrum der Untersuchung von Historikerin Dr. Andrea H. Schneider-Braunberger stehen die Firmengründer der Textilmanufaktur Wilhelm Schöpflin, Haagen und des späteren Versandhauses Wilhelm Schöpflin (1881-1952) und seine Ehefrau Wilhelmine Schöpflin (1884-1975) sowie ihre beiden Söhne Hans Schöpflin (1906-1985) und Rudolf Schöpflin (1910-1978). Die Studie untersucht die politische Orientierung der Inhaberfamilie sowie die Frage, ob das Unternehmen wirtschaftlich von der NS-Zeit profitiert, sich an »Arisierungen« beteiligt oder Zwangsarbeiter:innen eingesetzt hat.

»Als Stiftung, die sich für eine lebendige, widerstandsfähige Demokratie und eine vielfältige Gesellschaft einsetzt, halten wir es für zentral, die Unternehmens- und Familiengeschichte Schöpflin während der NS-Diktatur zu kennen und transparent darzustellen«, sagt Tim Göbel, geschäftsführender Vorstand der Schöpflin Stiftung. »Um dieser Verantwortung nachzukommen, haben wir eine wissenschaftliche Auswertung und Einordnung der historischen Quellen beauftragt.« Die Stiftungsaktivitäten finanzieren sich aus der unternehmerischen Tätigkeit von Hans W. Schöpflin (geb. 1941). Dieser erzielte seinen finanziellen Erfolg ab Anfang der 1980er Jahre als Risikokapitalgeber in den USA. Eine Verbindung zu Finanzquellen aus der NS-Zeit gibt es nicht. 

Die Untersuchung der GUG kommt zu dem Ergebnis, dass die Familie Schöpflin ab den 1930er Jahren durch Parteimitgliedschaften und weitere Funktionen in NS-Organisationen in das »System des Nationalsozialismus eingebunden« war. Die Unternehmen der Familie Schöpflin – die Textilmanufaktur Haagen Wilhelm Schöpflin sowie die Gebr. Grossmann GmbH – und damit auch ihre Eigentümer profitierten der Untersuchung zufolge nicht von direkten Geschäften mit dem NS-Regime, »vor allem aber auch nicht von kriegsrelevanter Produktion und dem damit in der Regel verbundenen Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern.« In drei Fällen liegen den Quellen zufolge Verfahren wegen Vorteilnahme gegenüber Juden vor. Hier waren, so die Historikerin Dr. Schneider-Braunberger, »die Familienmitglieder als Profiteure einzustufen; aus der unternehmerischen Leistung hingegen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg kein wirtschaftliches ‚Nutznießertum‘ für die Familie abgeleitet.« 

»Notwendig, sich auch mit schwierigen Kapiteln zu beschäftigen«
»Die jetzt vorgelegte Untersuchung hilft mir, die NS-Zeit besser zu verstehen und macht mich betroffen. Ich bedauere, dass wir mit unserer Familie nicht persönlich über die Geschehnisse gesprochen haben, als das noch möglich war«, sagt Hans W. Schöpflin. »Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass es unbedingt notwendig ist, sich auch mit schwierigen Kapiteln der eigenen Vergangenheit zu beschäftigen und Verantwortung für das Geschehene zu übernehmen. Die Ergebnisse der Untersuchung bestärken mich darin, dass wir uns als Stiftung Nationalismus und autoritärem Denken entgegenstellen müssen. Wir stehen für Weltoffenheit und Demokratie.« 

Die Studie der GUG basiert auf verschiedenen Archivquellen aus Deutschland und Frankreich. Ergänzend wurde Fachliteratur zur NS-Zeit, zur Geschichte der Stadt Lörrach und zur Unternehmensgeschichte ausgewertet. Ein Familien- oder Unternehmensarchiv der Schöpflins gibt es nicht.

»Diese Studie ist ein wichtiger Schritt für unsere Familie. Wir haben nun Antworten auf einige unserer Fragen, selbst wenn uns die Archive kein vollständiges Bild liefern können. Dass wir uns jetzt mit dieser Blackbox unserer eigenen Geschichte beschäftigt haben, hat uns als Familie näher zusammengebracht. Wir haben generationenübergreifend und in unterschiedlichen Konstellationen über die Ergebnisse und unsere Erinnerungen gesprochen«, sagt Dr. Lisl Schöpflin. Sie ist Urenkelin der Firmengründer und stellvertretende Beiratsvorsitzende der Schöpflin Stiftung. »Uns hat die Studie noch einmal deutlich gemacht, dass wir uns auch heute jeden Tag, in vielen kleinen Momenten, aktiv für eine tolerante, weltoffene und demokratische Gesellschaft einsetzen müssen.«

Erste Überlegungen dazu, wie die Studienergebnisse in die Arbeit der Schöpflin Stiftung einfließen können, gibt es bereits. Eine Idee ist die einer neuen Veranstaltungsreihe zur regionalen Erinnerungskultur, in deren Rahmen die Geschichte der Unternehmerfamilie Schöpflin vor dem Hintergrund der Regionalgeschichte in Südbaden thematisiert wird. 

Zur Studie

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