Montage aus Porträt und Schriftzug "Drei Fragen an"
Montage: Lucia Hofmaier/Schöpflin Stiftung

»Wir müssen den Begriff ›Monopol‹ zurückerobern.«

Michelle Meagher ist eine führende Vordenkerin der Anti-Monopol-Bewegung weltweit und verfügt als Wettbewerbsjuristin über international anerkannte Expertise. Im Rahmen unserer Förderpartnerschaft mit SOMO (Centre for Research on Multinational Corporations) unterstützen wir sie darin, Netzwerke auszubauen und strategische Allianzen zur Begrenzung von Konzernmacht zu schließen. In unserem Interview erklärt sie, warum die Macht der Unternehmen uns daran hindert, die größten Herausforderungen unserer Zeit anzugehen.

Monopole sind Ihrer Analyse zufolge nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. Wie müssten wir eigentlich auf Monopole schauen? 

Michelle Meagher: Der Schlüssel zum Verständnis von Monopolen liegt darin, ihre Macht zu erkennen: Sie strukturieren unsere Gesellschaft. In meinem Berufsleben musste ich meinen Blickwinkel mehrfach anpassen, um das Problem der Monopole angehen zu können. Ich begann als Wettbewerbsjuristin mit dem Schwerpunkt, den »Wettbewerb« zu fördern. Mit der Zeit erkannte ich aber, dass diese geschäftige Branche aus Jurist:innen, Berater:innen und sogar Regulierungsbehörden im Grunde eine Fassade war, hinter der die Konzernmacht weiter gefestigt wurde – und das weltweit und in nahezu allen Bereichen. Ich habe meinen Schwerpunkt daher auf Marktkonzentration verlagert, doch auch damit konnte ich das tatsächliche Ausmaß der Konzernmacht nicht erfassen – denn die reicht weit über die bloße Kontrolle von Marktanteilen hinaus. Schließlich begann ich, Monopole als juristische Personen zu verstehen, die die Macht haben, ihre Eigentumsrechte zu verankern – nicht nur Rechte an Kapital, sondern auch das Recht, in Zukunft Gewinne zu erzielen, Kosten auszulagern, sich politisch zu äußern, überhaupt zu existieren. Das führt dazu, dass natürliche Personen – wir alle – in eine von Monopolen geschaffene Welt verstrickt werden. Da sich diese Rechte sowohl auf die Zukunft als auch auf die Gegenwart beziehen, geraten wir in eine Art Stillstand – unfähig, Maßnahmen zu ergreifen, von denen wir wissen, dass sie notwendig wären, um die größten Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. 

In vielen Ländern greift die aktuelle rechtliche Regulierung übermäßiger Konzernmacht zu kurz. Wie könnten wir das ändern? 

Michelle Meagher: Erstens müssen wir den Begriff »Monopol« zurückerobern. Er ist aus unserem Sprachgebrauch verschwunden. In den USA taucht er nach jahrzehntelanger Abwesenheit inzwischen wieder auf – etwa auf den Titelseiten großer Zeitungen. Wir müssen den Begriff zurück in den öffentlichen Diskurs bringen und mit einer Bedeutung füllen, die zur heutigen Zeit passt. Denn wir können nichts bekämpfen, was wir nicht benennen können. 
Zweitens müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass jeder Versuch, Konzernmacht einzudämmen, unterlaufen werden kann – und auch unterlaufen wird. Diese Fähigkeit zur Unterwanderung – durch politischen Einfluss, Einfluss auf Gesetzgebungsprozesse oder die Kontrolle über öffentliche Debatten – ist ein zentraler Bestandteil der Monopolmacht. Deshalb müssen alle Maßnahmen darauf ausgerichtet sein, die strukturelle Macht von Konzernen zu begrenzen – etwa indem wir ihre Möglichkeiten, Kapital anzuhäufen, einschränken – und dabei gleichzeitig so wenig manipulierbar wie möglich sein. Ergebnisoffene Untersuchungen zu »Wettbewerb« oder »Effizienz« oder »Konzentration« oder sogar »Macht« werden nicht zwangsläufig dazu führen, dass Monopole in Frage gestellt werden. Stattdessen brauchen wir klare Regeln: etwa Größenbegrenzungen, strukturelle Beschränkungen oder auch konsequente Verbote. 

Sie sind Mitgründerin des Balanced Economy Project, einer internationalen Anti-Monopol-Allianz, und arbeiten nun mit SOMO zusammen, einer der renommiertesten europäischen NGOs, die sich für die Eindämmung der Macht von Unternehmen einsetzt. Welche Rolle spielt die Zivilgesellschaft in der globalen Bewegung gegen Marktkonzentration – und wie kann sie ihren Einfluss vergrößern? 

Michelle Meagher: Ich komme ursprünglich aus der Privatwirtschaft und bin noch relativ neu in der Welt der NGOs. Mir ist aufgefallen, dass viele NGOs zunehmend sich wie ebenjene Konzerne verhalten, gegen die sie kämpfen. Ich maße mir nicht an, Menschen, die diesen Kampf seit Jahrzehnten führen, Ratschläge zu geben. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir alle Teil der Zivilgesellschaft sind. Und wenn es gelingt, Menschen als Individuen mit einer Botschaft zu erreichen, dann tragen sie diese auch in ihre berufliche Rolle – unabhängig davon, in welchem Bereich sie tätig sind. Für mich heißt das: ein gemeinsames Verständnis von Monopolen und ihrer gesellschaftsprägenden Macht zu entwickeln und voneinander zu lernen – über politische Grenzen hinweg und vom Globalen Süden bis zum Globalen Norden.
 

Weitere Details zur Förderpartnerschaft mit SOMO gibt es hier.  

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